NABU startet baden-württembergischen Teil des millionenschweren Naturschutzprojekts „Lebensader Oberrhein“

Minister Bonde: „Ehrenamtliches Engagement für Biologische Vielfalt ist unersetzlich“ / Fünf Millionen Euro fließen in einzigartige Lebensräume am Oberrhein

Walldorf – Für den baden-württembergischen Teil des NABU-Naturschutzprojektes „Lebensader Oberrhein – Naturvielfalt von nass bis trocken“ ist am 23.4.2014 im Rathaus Walldorf der offizielle Startschuss gefallen. Bei einem Treffen aller Projektaktiven hat der NABU gemeinsam mit Naturschutzminister Alexander Bonde sowie Thomas Graner, Zentral- und Fachbereichsleiter des Bundesamtes für Naturschutz, das Vorhaben vorgestellt. „In den nächsten sechs Jahren werden wir die einzigartigen Lebensräume zwischen Iffezheim und Mannheim fördern und so bedrohten Arten wie Ziegenmelker, Schlammpeitzger und Sand-Silberscharte eine Zukunft geben. Dieses Projekt ist ein Glücksfall für die Natur am Oberrhein“, sagte der Vorsitzende des NABU Baden-Württemberg Andre Baumann vor den rund 90 geladenen Gästen.

Das Projektgebiet umfasst insgesamt den kompletten „Biodiversitäts-Hotspot Oberrhein“. Da mit Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen drei Bundesländer Anteil am Projektgebiet haben, haben sich die drei zuständigen NABU-Landesverbände zusammengeschlossen. Das Projektvolumen beträgt insgesamt rund fünf Millionen Euro. Die Kosten werden zu 75 Prozent vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit über das „Bundesprogramm Biologische Vielfalt“ und zu 15 Prozent vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg und den Umweltministerien in Rheinland-Pfalz und Hessen getragen. Zehn Prozent der Kosten übernimmt der NABU selbst. Das vom Bundesamt für Naturschutz fachlich begleitete Gesamtprojekt war bereits Ende 2013 offiziell gestartet.

„Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist eines der großen Überlebensthemen der Menschheit. Die grün-rote Landesregierung hat beispielsweise mit der Errichtung des Nationalparks Schwarzwald bereits vieles erfolgreich in Angriff genommen. Der staatliche Naturschutz allein reicht aber nicht aus. Der Beitrag von ehrenamtlich Engagierten, von Landwirten, Waldbesitzern und Grundeigentümern ist für den Erhalt der Biologischen Vielfalt unersetzlich. Umso mehr freue ich mich, dass sich der NABU um die biologische Vielfalt am Oberrhein kümmert. Eine besondere Herausforderung beim Erhalt dieser besonderen Landschaft am Oberrhein und ihrer Artenvielfalt ist die Lage in einem dicht besiedelten Raum mit vielfältigen Nutzungsinteressen. Deshalb ist es hier besonders wichtig, die verschiedenen Akteure einzubinden und die Bevölkerung für die Besonderheiten dieser Landschaft zu sensibilisieren und zu begeistern“, sagte Baden-Württembergs Naturschutzminister Alexander Bonde in Walldorf.

„Ich begrüße die engagierte bundeslandübergreifende Zusammenarbeit von ehrenamtlichem und amtlichem Naturschutz im Projekt unter Einbindung weiterer wichtiger Gruppen wie der Wasserwirtschaft. Es ist ein zentrales Ziel der Bundesförderung, die Identifikation der Menschen mit ihrer Hotspotregion zu stärken und damit eine langfristige Übernahme der Verantwortung für Schutz und Erhalt der Biologischen Vielfalt zu erreichen. Ich bin optimistisch, dass diese regionale Partnerschaft über die Projektlaufzeit hinaus Bestand haben wird“, so Thomas Graner vom Bundesamt für Naturschutz.

Trockene Lebensräume

Der NABU Baden-Württemberg wird seine Arbeit auf EU-geschützte Binnendünen und Sandrasen konzentrieren, die in Baden-Württemberg nur im Hotspot-Gebiet vorkommen. „Sandrasen sind einzigartige Lebensräume für viele spezialisierte Tier- und Pflanzenarten. Um diese offenen und sonnigen Flächen zu erhalten und miteinander zu vernetzen, müssen wir Kiefernbestände auflichten“, erklärt Projektleiterin Katrin Fritzsch vom NABU Baden-Württemberg. Dass heute nur noch fünf Prozent der Sandrasen von vor 100 Jahren übrig seien, mache klar, wie dringend diese Arbeiten sind. Der Wegfall der Sandrasen spiegle sich direkt in den Beständen bedrohter Tierarten wider: „Noch vor wenigen Jahren haben bei Schwetzingen Heidelerchen gebrütet. Jetzt nicht mehr. Unser Ziel ist es, das wieder zu ändern“, erklärt Fritzsch.

Nasse Lebensräume

Neben diesen trockenen Standorten wird der NABU Baden-Württemberg auch die „nassen“ Lebensräume bearbeiten, etwa in der Saalbachniederung bei Bruchsal, wo der NABU schon lange aktiv ist. „Die Landwirtschaft hat über Jahrzehnte nasse Wiesen drainiert und trocken gelegt, um sie als Äcker bewirtschaften zu können“, erklärt Fritzsch. Mit dem Wasser seien jedoch auch viele Tier- und Pflanzenarten verschwunden: „Kiebitze, Weißstörche und Sumpfdotterblumen brauchen feuchte Wiesen zum Überleben. Wir wollen sie ihnen mit unserem Projekt wieder zurückgeben.“ Mit neuen Tümpeln und aufgewerteten Gräben wird der NABU zudem Kröten, Fröschen und Molchen sowie dem stark gefährdeten Schlammpeitzger Lebensraum schenken. „Diese Fischart ist in Baden-Württemberg sehr selten geworden, da sein ursprünglicher Lebensraum fast verschwunden ist“, sagt Projektleiterin Fritzsch.

Menschen einbeziehen und begeistern

Besonderen Wert legt der NABU darauf, die Menschen im Hotspot-Gebiet einzubeziehen, ihnen die einzigartigen Naturräume nahe zu bringen und sie für den Schutz der biologischen Vielfalt vor der eigenen Haustür zu begeistern. Durch Partnerschaften mit Städten und Gemeinden sowie Kooperationen mit der Wirtschaft und sozialen Einrichtungen möchte der NABU dauerhaft etwas für die Natur bewegen. „Wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt, die wir nur mit der Unterstützung unserer vielen Mitglieder und den zahlreichen engagierten Kooperationspartnern umsetzen können“, sagt NABU-Landeschef Andre Baumann.

(Fotos: H. Pfeifer, NABU-Landesverband BW)